Die Römer in der Essener Straße

Die zur Sicherung der römischen Truppen im Römerkastell untergebrachten Soldaten siedelten in der direkten Umgebung zu ihrem Standort. So wohl auch in der Essener Straße, wo bei den Aushebungen der Baugrube für Bauarbeiten zu neuen Wohnhäusern zu umfangreichen Funden aus der Römerzeit kam.

Die Archäologen des Landesamts für Denkmalpflege dachten zunächst, sie hätten es mit einem „Hinterhofareal“ der einstigen Römersiedlung zu tun, denn die untersuchte Fläche befindet sich vergleichsweise weit von den bisherigen Fundbereichen entfernt. Außerdem liegt die Grabungsfläche von der einstigen Römerstraße abgewandt – hinter den Wohn- und Geschäftshäusern der vor knapp 1900 Jahren hier lebenden Händler und Handwerker. Daher erwarteten die Archäologen, zunächst nur auf die Reste von einfachen Holz- und Fachwerkstrukturen zu stoßen, wie etwa von Schuppen, Wirtschaftsgebäuden oder Latrinen.

Doch dann kamen Steinmauern zum Vorschein: Es handelte sich um die etwa einen Meter starken Außenmauern eines großen Gebäudes. Das nun zum Teil freigelegte Gebäude hat eine Breite von über acht Metern und könnte insgesamt 30 Meter lang gewesen sein, berichtet das Team der Grabungsfirma ArchaeoBW. Vermutlich handelte es sich um ein sogenanntes „Streifenhaus“ – ein qualitativ hochwertiges Wohngebäude, das für römische Siedlungen nördlich der Alpen typisch war. Die Archäologen stießen auch auf verkohlte Spuren, in denen sich das Schicksal des Hauses widerspiegelt: Offenbar wurde es im Laufe der Antike durch einen Brand zerstört.

 

Gehobener Wohnstandard um 100 nach Christus

Nicht weit von den Resten dieses Gebäudes entfernt, entdeckten die Archäologen anschließend noch mehr Spuren antiken Wohnkomforts: Es handelt sich um die Reste eines weiteren Steinbaus, der über eine Fußboden- beziehungsweise Wandheizung (Hypokaustum) verfügte und dessen Wände einen eleganten mehrfarbigen Wandverputz besaßen. Bei diesem kleineren Gebäude handelte es sich offenbar ebenfalls um ein luxuriös ausgestattetes Wohngebäude, sagen die Archäologen.

Es zeichnet sich ihnen zufolge somit ab, dass sich in Randlage der römischen Siedlung ein gehobenes Wohnquartier befunden hat. Die Funde werfen somit etwas mehr Licht auf die bislang unklare Geschichte des römischen Bad Cannstatt. Klar scheint: Die Gründung der Siedlung war mit der Stationierung der römischen Truppen am mittleren Neckar um das Jahr 100 nach Christus verknüpft. Wie sich der namentlich nicht bekannte Ort entwickelte und ob hier möglicherweise ein sogenanntes „municipium“ bestand – ein Verwaltungssitz mit zumindest regionaler Bedeutung, bleibt bislang allerdings im Dunkel der Geschichte verborgen.

Quelle: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart